Science Fiction ist heute vor allem ein Groschengrab für computergenerierte Effektschlachten.
Das Genre kann und ist geschichtlich betrachtet aber viel mehr. Ein kleiner Überblick:
“Space, the Final Frontier…” – mit diesen Worten läutete 1966 der ehemalige Bomberpilot Gene Roddenberry das wohl bekannteste Kapitel der Science Fiction ein und welches bis heute viele Anhänger findet und in mehr als einem Bereich Einfluss auf unser Denken und alltägliches Leben haben sollte.
Die Crew der originalen Enterprise im Jahr 2293, im Kinofilm „Star Trek VI: Das unentdeckte Land“ von 1991
In den Irrungen und Wirrungen des damals mit der Kubakrise 1962 an einem Höhepunkt angelangten kalten Krieges – der Auseinandersetzung der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion – in denen sich zwei Atommächte gegenüberstanden, zeichnete Roddenberry mit „Star Trek“ damals eine Utopie, die lange ihresgleichen suchte. Unter der Flagge der “Vereinten Föderation der Planeten” – hervorgegangen aus der “Vereinigten Erde” nach dem dritten Weltkrieg – suchte die Crew nach neuen Welten und neuen Planeten, drang dabei in Galaxien vor, in denen noch nie ein Mensch zuvor gewesen war…
Die Crew der Enterprise war für die damalige Zeit erstaunlich vielfältig: So taten auf diesem interstellaren Kreuzer unter-schiedlichste Ethnien, darunter unter anderem ein Schotte, eine Afroamerikanerin, ein Russe, ein Asiate und diverse Außerirdische ihren Dienst.
Während sich die Science Fiction in den Fünfzigern eher der damals populären Ufo-Visionen (Beispiel: „Krieg der Welten“, 1953 auf Basis des Buchs von 1898 verfilmt) widmete, schaffte es Roddenberry, mit Hilfe seiner Grundstruktur ethische Modelle zu kreieren, in denen die Raumfahrer sich weltlicher und spiritueller Probleme annahmen. Welche jedoch, abstrakt dargestellt, sich aus einem objektiveren Standpunkt betrachten ließen.
Die Serie wurde bereits nach drei Jahren wieder eingestellt – Gene Roddenberry hatte bereits im Vorfeld Probleme, mit seiner Idee Investoren zu finden. Das Studio Paramount überredete ihn schließ-lich mit dem Argument, dass Science Fiction eher ein Trend der Fünfziger sei, sich dem aufkommenden Trend der Western anzunähern und so wurde „Star Trek“ letztlich die Seifenoper, die selbst unter Fans der Serie heutzutage teilweise mit einem Augenzwinkern zu sehen ist.
Nachdem er ab 1979 sechs Kinofilme mit der Originalcrew realisierte – der Erste, „Star Trek – the Motion Picture“, sei in seiner audiovisuell virtuosen Art mit Kunstfilmen wie Kubrick’s “2001 – Odyssee im Weltraum” zu vergleichen (die Special Effects beider Filme wurden von Douglas Trumbull realisiert) – führte er ab 1987 mit “Star Trek – the next Generation” seine Utopie fort.
Durch den, erst nach der Absetzung der Originalserie erlangten Kultstatus und den Erfolg der sechs Kinofilme konnte er das erste Mal seine Utopie so skizzieren, wie er sie seinerzeit nie umsetzen konnte. Das neue Raumschiff Enterprise flog mit „The Next Generation“ sieben Staffeln lang, weitere Kinofilme und zwei Spinoffserien („Deep Space Nine“ und „Voyager“) sollten folgen, bis nach dem Tod Roddenberrys das Franchise so weit ausgeschlachtet wurde, dass von der Vision des Schöpfers nur noch ein Haufen Polygone übrig blieb.
Mit einem Reboot, in der damaligen Zeit als Prequel in Form einer immer noch akzeptablen Prequelserie („Enterprise“ von 2001) noch recht untypisch gestaltet, und später einem vom Marketing verzerrten Remake („Star Trek“ von 2009 und „Star Trek Into Darkness“ von 2013) wurde probiert, das Thema dem breiteren Publikum schmackhaft zu machen. Das Franchise litt in dieser Entwicklung leider wie so viele Reboots, Prequels und ähnliche Marketingentscheidungen der letzten Jahre unter einem immensen “Lack of Substance”, also einem Mangel an erzählerischer Tiefe, der die Wiederentdeckung der Science-Fiction im neuen VFX-Zeitalter leider so oft prägt.
„Star Trek“ bleibt jedoch ein prächtiges Beispiel dafür, wie Science Fiction das Denken und das Streben vieler Menschen beeinflusste. So geben viele Forscher an, bereits als Kind von der Zukunftsvision, die ihnen die Serie damals bot, inspiriert worden zu sein – ebenso sind damals als Zukunftsmusik erscheinende Techniken wie die drahtlose Kommunikation mittlerweile zum alltäglichen Leben so gut wie aller Menschen auf dem Globus geworden. Auch kamen bereits Tablets, wenn auch ironischerweise jeweils eins pro Einsatzbericht, in „The Next Generation“ zum Einsatz. Der Weltfrieden und die gewaltlose Konfliktlösung bleiben jedoch weiterhin oft Utopie…
Kommunikator im fiktiven Jahr 2268 von 1967 Robustes Mobiltelefonaus dem Jahr 2010 [E]
Die Geschichte der Science Fiction beginnt jedoch nicht erst beim Sternenabenteuer der Enterprise:
Mary Shelley schrieb bereits 1818 den Klassiker „Frankenstein“. In diesem, damals noch dem fantastischen Genre der “Gothic Novel” zugeordneten Werk, beschreibt sie einen verrückten Wissenschaftler, der aus Leichenteilen ein künstliches Wesen zusammenbaut, welchem er mit Kraft der Elemente – einem Blitz – Leben einhaucht und sich selbst so mit Gott auf eine Stufe stellt; ein moralischer und ethischer Konflikt ist die Folge. Das Werk wurde dutzende Male verfilmt (u.A. 1931 von Mary Shelley) und fand in Form vielerlei Referenzen Zugang zum kollektiven Gedächtnis der westlichen Kultur – wenn auch mit “Frankenstein” meist “Frankensteins Monster” gemeint ist.
“Frankenstein”, verfilmt von Mary Shelley, 1931 “Die Reise zum Mittelpunkt der Erde”, Henry Levin, 1959
Im Schatten der industriellen Revolution begannen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Schriftsteller die Aufbruchsstimmung, welche mit immer neuen technischen Errungenschaften einherging, aufzugreifen und ihre ganz eigenen Luftschlösser zu kreieren. Als einer dieser Pioniere gilt Jules Verne, welcher mit einer “Alles ist möglich”-Attitüde, die damals en vogue war, diverse Zukunftsvisionen spann. So reisen in seinen bekanntesten Geschichten Menschen auf den Mond (“Die Reise zum Mond”, 1902 verfilmt von Georges Méliès, einem Pionier der Tricktechnik) und zum Mittelpunkt der Erde (verfilmt u.A. 1959 von Henry Levin). In seinen späteren Werken wich seine anfängliche Technik-Euphorie jedoch einer zunehmenden Skepsis und er begann sich dem Gedanken hinzugeben, Mensch und Gesellschaft gingen mit der fortschreitenden Technisierung zu Grunde. So wandelte sich sein ursprüngliches, utopisches Werk immer mehr in eine dystopische Sicht der Zukunft.
Utopie (eigentlich der “Nicht-Ort”, aus dem griechischen “ou-” = nicht und “tópos” = Ort) beschreibt zumeist eine positive Zukunftsvision, in der Werte und Moral weiterentwickelt wurden und der Staat oder die Welt an einem Punkt angekommen sind, an dem ein weitgehend sorgloses Leben für alle seine Einwohner möglich ist, in dem weiterführend der Mensch über seine niederen Empfindungen hinausgewachsen ist und nach Frieden und Wissen strebt.
Das Gegenstück, die Dystopie (Der “schlechte Ort”, aus dem griechischen “dys-” = schlecht und “tópos”= Ort) beschreibt eine düstere, weniger optimistische Zukunft, welche oft auf den kritischen Strömungen der jeweiligen Zeit, in der das Werk veröffentlicht wurden, aufbaut. Technikabhängigkeit, totalitäre Staatsgebilde und gesellschaftliche Entwicklung sind oft als Themen zu finden.
Als Beispiel für eine andere, technikarme Dystopie sei Stanley Kubricks „Dr Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ zu nennen, in der er in einer Art Kammerspiel die Systematik des kalten Kriegs und der vorherrschenden Angst skizziert: Durch einen Maschinenfehler bekommt ein Bomberpilot das scheinbare Abwurfsignal für eine Atombombe, welches das Flugzeug geladen hat. Im Laufe der Handlung werden, teils satirisch, in einem unterirdischen Bunker die Spannungen der Politikerkaste im Kontakt mit dem Bomber dargestellt und dem Betrachter die These veranschaulicht, dass die “Doomsday Machine” (die Maschine des jüngsten Gerichts) bereits angelaufen sei – einmal gestartet, ließe sie sich nicht mehr stoppen. Damit stellt Kubrick in zwei miteinander verbundenen metaphorisch gemeinten Kammerspielen die drohende Auslöschung – eine Grundangst der damaligen Zeit – dar und zeigt auf, wie durch die fortlaufende Technisierung der Befehlsketten menschlichem Versagen und ideologischem Handeln weiter Türen geöffnet werden und probiert, die Abhängigkeit von Mensch und Maschine darzustellen.
Diese Abhängigkeit lässt sich auch in seinem Science Fiction-Epos “2001 – Odyssee im Weltraum” in Form von HAL9000, einer künstlichen Intelligenz, welche das Raumschiff und seine Funktionen überwacht und die Astronauten als größte Gefahr für den Erfolg der Raummission sieht und nacheinander tötet und aussperrt, erfahren.
Während Dystopien weit gestreut sind, ist die Suche nach reinen
Utopien eher schwer. Als eine wichtige Utopie sei jedoch erneut „Star Trek“ zu nennen, beziehungsweise die politische vorherrschende Struktur, die mit der ‚Föderation der vereinigten Planeten‘ – der auch die ‚Sternenflotte‘ und somit alle Raumschiffe namens Enterprise angehören – dargestellt wird. Mit dem inter-stellaren pazifistischen Planetenbund, organisiert in einem demokratischen Rätesystem, losgelöst vom monetären Denken der Gegenwart, legte Gene Roddenberry bereits in der Originalserie ein wichtiges Element seines Werkes fest.
Eine Klassifizierung der Science Fiction in ihren über 150 Jahren Geschichte ist jedoch schwer. Aufgrund der Fülle der Einflüsse und der geschichtlichen Umstände, der sich das Genre, beziehungsweise ihre Autoren, ausgesetzt sahen und der Möglichkeit, wie im Fantasy-Genre, aus der es entwuchs, grundsätzlich “alles” zu schreiben oder darzustellen – weswegen es sich auch bei Filmemachern großer Beliebtheit erfreut. Ebenso sei der technische Fortschritt zu beobachten, welcher vorangegangene Zukunftsmusiken nach einer gewissen Zeit obsolet macht und sie heute mitunter lächerlich erscheinen lassen kann.
Als grobe Einteilung seien jedoch die beiden groben Ausrichtungen, die Utopie und die Dystopie zu betrachten. Ebenso sei zu beachten, ob es sich um eine kritische Zukunftsvision mit Basis in der realen Welt oder eher um eine Fantasiewelt handelt. Auch letzteres hat seinen Reiz, seine philosophischen Möglichkeiten wurden gerade im Rahmen der Fantasy-Literatur der 70er Jahre kultiviert und hatte einigen Einfluss auf die Popkultur. Auch fand dort die in den 60ern aufgekommene Psychedelik und die Suche nach Transzendenz Anklang. In den 80er Jahren florierte eine neue, heutzutage in seiner Ästhetik sehr populäre Unterkategorie der dystopischen Erzählung, die des “Cyberpunks”.
Dieses Subgenre, welches u.A. auf der ideologischen Basis der zivilen Proteste der 60er Jahre aufbaut, stellt meist eine von Konzernen geführte Welt dar, in der die Politik, wenn überhaupt noch existent, nur noch als Schauspiel fungiert, um die Massen zu kontrollieren, den Schein zu wahren und die wahren Fädenzieher zu verbergen. Zunehmende Repression, Abhängigkeit von Technik, enge Verbundenheit mit ihr im Alltag, technische Implantate und ein düsteres Straßenbild, geprägt von Großstädten wie New York und Paris herrschen in diesem Subgenre vor. Ebenso wurde bereits der “Cyberspace” skizziert, Worte wie “Virtualität” geprägt – Dinge, welche erst im nächsten Jahrzehnt Realität werden sollten.
Als Meilenstein und Wegbereiter dieses Genres sei William Gibsons Roman-Triologie “Neuromancer” zu nennen, in der er einen Hacker, einen Datendieb, zum vermeintlichen Helden in einer dekadenten, technisierten Welt aufschwingt. In seinem Werk greift er vieles aus der heutigen Entwicklung im Bereich der Technologie, dem weltumspannenden Datennetz und den politischen Missständen vorweg, resultierend aus einer kritischen, differenzierten Betrachtung der damaligen Strukturen und Strömungen.
In der jüngsten Zeit findet Hollywood das Genre als Geldgrab wieder, da es viele Effekte, aufregende Kamerafahrten und buntes Farbgewitter rechtfertigt. Der Inhalt bleibt aber leider wie so oft auf der Strecke…
Fernab des Massenpublikums, welches Science Fiction leider zu oft als Kinderei oder nicht ernstzunehmend verunglimpft, bleibt jedoch die Faszination der Science Fiction, dem Künstler einen konzeptionellen Freifahrtsschein auszustellen, ungebrochen. Während „Die Simpsons“ in der mittlerweile 27ten Staffel vor sich hindümpeln, hat Matt Groening mit „Futurama“ einen Ableger geschaffen, welcher die Sozialkritik von einst modernisiert und weiterführt.
Eingebettet in Neu New York im Jahr 3000 verbindet er teilweise absurde Technik mit Referenzen von heute und schafft es so, einen differenzierten Blick auf die Welt zu ermöglichen. Einen Bildungsauftrag erfüllt er dabei wie auch bei den Simpsons; so sind nebst diversen geschichtlichen Fakten und popkulturellen Referenzen auch Fachwissen über das Filmgeschäft, die Medienindustrie und die Politik aufbereitet und zugänglich für den geneigten Rezipienten.
„The right conceptual horse“, nutzt auch Dan Harmon in seiner Zeichentrickserie „Rick and Morty“, die er nach Abschluss seines erfolgreichen Comedyformats „Community“ erschaffen konnte. In dieser, dem klassischen Sitcomformat entsprungenen Serie, welcher durch eine „multidimensional Portal Gun“ des wahnsinnigen Wissenschaftlers konzeptionelle Freiheit, die ihresgleichen sucht, geschenkt wurde, verbindet er intelligent menschliche Archetypen, absurden Humor und melodramatische Erzählstruktur mit abgefuckter tiefgründiger Science Fiction, kreativer Weitsicht und Splatterelementen. Die dritte Staffel wurde im März noch für dieses Jahr angekündigt und lässt die Herzen vieler Fans überall auf dem Globus höher schlagen.
Fritz Langs Metropolis ist neben seinem Stellenwert als meisterhafte Dystopie ebenso ein Monument des kritischen, politischen Zeitgeists der Weimarer Republik und verbindet viele der damaligen philosophischen, künstlerischen und politischen Strömungen und Ideen miteinander.
In ihm vereinen sich antike, biblische und universelle Sinnbilder, menschliche Archetypen und Sagenfiguren mit Marxscher Kritik an der industriellen Revolution, der Klassenteilung zwischen Arbeitern und Herrschenden, welche sich durch das Jahrhundert fortsetzte und deren Ausspruch sich bis heute nicht immer als konfliktarm bezeichnen ließe – die Schere zwischen Arm und Reich klafft währenddessen unermüdlich weiter auf.
Hinter den Kulissen der Stadt Metropolis. Foto der Murnau-Stiftung
(Auszug aus der Facharbeit ´“Philosophisches Konstrukt, Systemkritik und ferne Welt” – Science Fiction im Film, Betrachtung des Kultfilms Metropolis von Fritz Lang von 1927´ von Florian Rippert, geschrieben im März 2016)